Odysseas Vlachodimos
Beharrliches Toptalent
Große Talente müssen oft mit einer erdrückenden Erwartungshaltung klarkommen. Odysseas Vlachodimos konnte diese zunächst nicht erfüllen – um dann über einen Umweg zum National- und Champions-League-Torhüter zu werden.
Odi, wie er meist genannt wird, spielte in allen U-Nationalmannschaften des Deutschen Fußball-Bundes und absolvierte 47 Partien, also elf mehr als Manuel Neuer. Als die deutsche U17-Nationalmannschaft 2011 mit dem Vize-Titel bei der Europameisterschaft und dem starken dritten Platz bei der WM in Mexiko für Furore sorgte, stand der gebürtige Stuttgarter im Tor. Die Fritz-Walter-Medaille in Bronze gab es obendrauf.
„Einer musste in den Kasten“
Alles hatte damit begonnen, dass Bruder Panagiotis, der heute auch Fußballprofi ist, im Garten aufs Tor schießen wollte. „Einer musste dann in den Kasten“, sagt Odi heuteund grinst: „War wohl keine so schlechte Aufgabenverteilung.“
Es war nur eine Frage der Zeit, bis er, der als lockerer und lustiger Typ gilt, die Nummer eins beim VfB werden würde. Das war sein Traum, schließlich spielte er dort seit seinem achten Lebensjahr. Doch als er sich bereit fühlte, plante man ihn nur als Nummer drei im Tor ein: „Natürlich hat mich das geärgert, aber ich habe nicht aufbegehrt und dennoch stets alles gegeben, weil ich dem VfB sehr viel zu verdanken habe. Der Klub hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin.“
Odi debütierte mit 21 Jahren im August 2015 in der Bundesliga, doch es folgten nur zwei weitere Spiele für die Stuttgarter – alle gingen verloren. Ihm fehlte das Vertrauen und die Rückendeckung vom Verein. „Ich war immer loyal und habe auf dem Platz meine Leistung gezeigt – und jetzt das. Das ist hart“, sagte er damals, als er nicht mehr zum Kader gehörte.
Von den Scouts gejagt
Starke Reflexe auf der Linie, eine gute Strafraumbeherrschung, fußballerisch stark: Odi kann mitspielen und ist ein mutiger, moderner Torwart, der andere mit seiner guten Laune anstecken und mitreißen kann. Das wollte er zeigen: „Als Profi kann und sollte man sich nicht in den Schmollwinkel zurückziehen.“ Also entschied er sich, nach Griechenland zu Panathinaikos Athen zu wechseln, in jenes Land, in dem seine Familie ihre Wurzeln hat.
Im Januar kam er an und war wie in Stuttgart wieder die Nummer drei. Zwischenzeitlich wurde er sogar zum Militär einberufen, doch der Verein sorgte dafür, dass er sich nicht täglich in der Kaserne zeigen musste. Erst im November war es dann soweit: Odi durfte von Beginn an ran – und gab seinen Stammplatz nicht mehr her. In 34 von 63 Spielen blieb er ohne Gegentor, wurde U21-Europameister und weckte das Interesse von Benfica Lissabon.
Dort spielte er Champions League und wurde von der UEFA ins Team der Senkrechtstarter 2018 gewählt, mit starken, teils spektakulären Paraden verhalf er seiner Mannschaft nach dem Ausscheiden bis ins Europa-League-Viertelfinale. Odi debütierte für Griechenland als Nationaltorhüter und wurde mit Benfica portugiesischer Meister, 2018/2019 war seine bisher erfolgreichste Saison.
Seine Entwicklung ist auch anderen Clubs nicht verborgen geblieben. Von 18 Scouts beim CL-Spiel gegen die Bayern ist in der Presse die Rede, vom Interesse der Münchner und von etlichen anderen Topvereinen sowieso. Denn egal, was war: Odi hat immer an sich geglaubt und am Ende mit Leistung überzeugt.